A.3. Der Osterdeich von der Lüneburger Straße bis zur „Erdbeerbrücke“ ersetzt den mittelalterlichen Langen Deich

Auf diese Weise hat die St. Petri-Domgemeinde um 1890 (gleichzeitig) weitestgehend die Renovierung des baufällig gewordenen St. Petri-Dom in der Bremer Innenstadt finanziert.

Weil längster, so dauerte schon die Planung des dritten Osterdeich-Bauabschnitts über die Pauliner Marsch hinweg entsprechend lange. Weil auch die vormaligen bäuerlichen Eigentümer des früher aussendeichs gelegenen Wiesenareals für Milchkühe an der Wertsteigerung des größten entstehenden Geländes „hinter“ dem Osterdeich partizipieren und den Veräußerungsgewinn nicht nur Bremen und Domgemeinde überlassen wollten, verzögerte sich der Baubeginn bis Frühjahr 1890 zusätzlich (und dauerte bis 1893).

Insbesondere dieses Binnendeichsgelände versprach außerdem eine gewinnversprechende Kapitalanlagemöglichkeit für betuchte Bremer, die Gesellschafts-Anteile mit guter Verzinsung kaufen konnten. Um die Finanzierung der grundlegenden und ausgesprochen aufwendigen Renovierung des gut 1000 Jahre alten St-Petri-Doms in Bremens Innenstadt zu realisieren, wurde von einer Reihe potenter Kaufleute mit dem Bauherr der St. Petri-Domgemeinde, Franz Ernst Schütte, an der Spitze wurde der Aufbau zweier Kapitalgesellschaften betrieben. Hierbei handelte es sich um die „Erste Domland-Gesellschaft“, die das Areal direkt am Osterdeich bis Hamburger Straße und bis zur Stader Straße von der Domgemeinde und die „Zweite Domland-Gesellschaft“, die das Areal zwischen Hemelinger Straße und Verdener Straße von der Domgemeinde gekauft hatte. Beide hatten den „Gesellschaftszweck“, „die von der St. Petri-Domgemeinde übernommenen Areale“ (für die Gesellschafter möglichst gewinnbringend) „an Dritte weiterzuverkaufen“.

Neben der „Anschrägung“ des Binnendeichsgeländes führte eine spezielle Rechtskonstruktion zu zusätzlicher Werterhöhung der Osterdeichs-Grundstücke im Stadtteil Peterswerder, nämlich das Instrumentarium der „herrschenden Gunddienstbarkeit.“ (1) In den Grundbüchern der Osterdeichanwohner vom Deichschart bis zur Stader Straße (2) war vermerkt: „Der Eigentümer dieses Grundstückes sowie seine Rechtsnachfolger haben das Recht zu verbieten, dass im Aussendeichsland zwischen Osterdeich und Weserufer (massive) Baulichkeiten errichtet werden….“ Zusammengenommen mit diesen „alten“ Grundbuchrechten führte die sehr gute Wohnlage auf Deichhöhe draußen vor der Stadt, die zeitlich unbegrenzt verbotene Bebauung des Aussendeichsgeländes und die sich daraus ergebende Wohn- und Lebensqualität zu einer bis heute andauernden außerordentlich hohen und nachhaltigen Werthaltigkeit dieser Grundstücke am Osterdeich.

So stellt diese Erste Domland-Gesellschaft, „angereichert“ durch das „Bauverbot“, eine äußerst intelligente eingefädelte „Win-Win-Situation“ dar: Bremen gewinnt an städtischer Ausdehnung, der St. Petri-Dom kann mit den Erlösen aus den Grundstücksverkäufen an die Domland-Gesellschaften seinen in der Innenstadt Dom renovieren und die Aktionäre generieren über jährliche Ausschüttungen einen finanziellen Gewinn.

Insbesondere dieser Dritte und letzte Bauabschnitt über die Pauliner Marsch hinweg mit seinem flächenmäßig größten und damit lukrativsten Binnendeichs-Geländegewinn stellte sich ein „hinter“ dem Osterdeich hinziehendes Grundstückgeflecht dar. Da viele dieser Grundstücke nicht rechteckig geschnitten und deshalb qualitativ nicht gleichwertig waren, mussten in verschiedensten, teilweise streitigen und langwierigen Verhandlungen Grundstücke getauscht ver- und gekauft sowie Wege- und Straßenverläufe verschoben werden (3) .

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Buchteil aus: „Bremisches Jahrbuch 2011“: „Franz Schütte und die städtebauliche Erschließung von Osterdeich und Peterswerder“

Buch: „Mythos Weser-Stadion – 80 Jahre Fußball, Kultur + Politik“

pfeilLesungen

 

Anmerkungen
(1) Wie der Begriff schon andeutete, gibt es auch eine „dienende Grunddienstbarkeit“. Das ist das Gegenstück, nämliche das, „auf dem es wirkt“.
(2) …. Und vom Osterdeich bis zur Hamburger Straße.
(3) Diese Aktivitäten wurden „Verkopplungen“ genannt – es gab auch eine „Verkopplungs-Deputation“.